Wer ist Beschuldigter?
Der Beschuldigte in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hat eine ganze Reihe von Rechten. Zunächst sollte kurz definiert werden, wer überhaupt Beschuldigter ist. Hier ist die Abgrenzung zum bloßen Tatverdächtigen vorzunehmen. Ein Tatverdächtiger wird dadurch zum Beschuldigten, daß gegen ihn ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird (was dem Beschuldigten nicht unbedingt mitgeteilt wird). Beschuldigter ist also derjenige, der durch die Staatsanwaltschaft oder deren Hilfsorgane (Polizei) als Verantwortlicher einer Straftat festgemacht wird.
Aussagen oder Schweigen?
Die erste Vernehmung erfolgt voraussichtlich durch die Polizei. Diese muß zunächst mitteilen, daß der Betroffene als Beschuldigter vernommen wird, welche Verdachtsgründe vorliegen und eine Belehrung über die Aussagefreiheit und das Recht auf Verteidigerkonsultation vornehmen.
Aussagefreiheit bedeutet, daß der Beschuldigte das Recht hat zu Schweigen oder in Teilbereichen zu schweigen bzw. seine Sicht der Geschehnisse zu schildern. Das Aussageverhalten ist von extrem hoher Bedeutung für das Strafverfahren, da Korrekturren im nachhinein nicht mehr möglich sind. Hat der Beschuldigte erst einmal eine Aussage gemacht, kann diese später nicht mehr beseitigt werden. Auch für den Strafverteidiger ist die Entscheidung, ob vom Recht zum Schweigen Gebrauch oder eine Aussage gemacht wird, mit eine der schwierigsten Entscheidungen in Bezug auf die Taktik im Strafverfahren. Der Beschuldigte ist zunächst immer gut bedient damit, so lange die Aussage zu verweigern, bis er einen Verteidiger konsultiert hat. Dieses Schweigen ist von der Rechtsordnung ausdrücklich vorgesehen und geht auf einen alten Grundsatz (nemo tenetur se ipsum accusare) des römischen Rechts zurück und bedeutet, daß kein Beschuldigter an seiner Verurteilung mitwirken muß. Es können also keinen negativen Schlüsse aus dem Schweigen des Beschuldigten gezogen werden.
Häufig verspielen Beschuldigte durch übereilte Aussagen jede legitime Möglichkeit des Verteidigers im Hinblick auf die Herbeiführung eines Freispruches. Denn unsere Rechtsordnung basiert darauf, daß dem Angeklagten seine Schuld nachgewiesen werden muß und nicht dieser seine Unschuld beweisen muß. Sofern also nicht genügend Indizien für die Tätereigenschaft vorliegen und der Angeklagte bzw. Beschuldigte schweigt, wird eine Verurteilung nicht erfolgen können. In diesem Fall greift die Unschuldsvermutung (im Zweifel für den Angeklagten). Es kommt häufig vor, daß ein Beschuldigter sich falsch zur Sache einläßt und sich bei genauerem Nachfragen durch die Polizei in Widersprüche verwickelt. Schon dies allein kann dem Beschuldigten zum Nachteil gereichen.
Nach der erfolgten Besprechung mit einem Anwalt kann der Beschuldigte immer noch ohne weiteres eine durch den Verteidiger formulierte Aussage abgeben. Dabei muß der Verteidiger immer darauf achten, daß der Beschuldigte sich nicht mehr belastet, als notwendig.
In der Praxis raten die meisten Verteidiger ihren Mandaten, zunächst zu schweigen. Der Verteidiger beantragt dann in aller Regel Akteneinsicht (die nur ein Anwalt bekommt) um beurteilen zu können, ob dem Beschuldigten tatsächlich eine Straftat nachgewiesen werden kann oder ob lediglich Verdachtsmomente bestehen. Erst nach der erfolgten Akteneinsicht kann im allgemeinen kompetent beurteilt werden, ob eine Aussage des Beschuldigten für diesen sinnvoll ist oder nicht.
Welche Angaben darf der Beschuldigte nicht verweigern?
Lediglich die Pflichtangaben, das sind die Personalien im Sinne des § 111 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), muß der Beschuldigte machen. Hierzu gehören Vor-, Familien-, Geburtsname, Tag und Ort der Geburt, Familienstand, Beruf, Wohnort und Staatsangehörigkeit. Die Angaben zum Verdienst und Angaben zum Lebenslauf sind keine Pflichtangaben, Fragen hierzu müssen also nicht beantwortet werden. Fragen zum Verdienst stellt die Polizei häufig deshalb, weil bei einer Verurteilung zu einer Geldstrafe der Verdienst des Täters als Basis dient. Des weiteren muß die Polizei auf die Möglichkeit einer Verteidigerkonsultation hinweisen. Der Beschuldigte darf sich zu jedem Zeitpunkt im Ermittlungsverfahren eines Verteidigers bedienen.
Vernehmung als Zeuge?
Problematisch ist eine Aussage immer dann, wenn der Betroffene zunächst als Zeuge vernommen wird. Denn der Zeuge muß von Gesetzes wegen die Wahrheit sagen. Aber auch ein Zeuge muß nichts preisgeben, womit er sich selbst belasten würde. Hierauf ist der Zeuge durch den Polizeibeamten aufmerksam zu machen. Vergißt dieser die Belehrung, so ist die Aussage, in der sich der Zeuge selbst belastet nicht verwertbar, darf aber als Grundlage für weitere Ermittlungen heran gezogen werden. Da auch der Zeuge ein Recht auf einen Zeugenbeistand in Form eines Anwalts hat, ist es ratsam von diesem Recht Gebrauch zu machen, wenn der Zeuge befürchten muß, sich selbst strafbar gemacht zu haben.

Wann brauche ich überhaupt einen Anwalt?
Wenn die Gegenseite nicht mit sich reden lässt, Sie nur noch abwimmelt, obwohl alle einschlägigen Institutionen Ihnen sagen, dass Sie im Recht sind. Kurzum, wenn auch Verbraucherzentralen, Mietervereine, Gewerkschaften, Ombudsleute bei Banken, Sparkassen und Versicherungen sowie »Schlichter« bei den Kammern oder Schieds- und Schlichtungsstellen bei den Gemeinden Ihnen nicht mehr helfen können, zu Ihrem Recht zu kommen, dann ist Rat vom Anwalt nötig. Ebenso, wenn es um komplizierte Rechtsprobleme (z. B. Strafsachen), um viel Geld (z. B. Erbschaft) und um gravierende Veränderungen Ihrer Lebensumstände geht (z. B. Räumungsklage). Ein gesetzliches Muss schon in der 1. Instanz ist der Anwalt in Scheidungsverfahren.
Wo finde ich einen Anwalt?
Einen Anwalt zu finden, der sich speziell in Ihrem Fall auskennt, ist bei Anlaufstellen wie Anwaltverein, Anwaltssuchdienst oder auch bei den örtlichen Anwaltskammern am wahrscheinlichsten. Hier ist es wichtig, dass Sie nach einem spezialisierten Anwalt fragen. In sieben verschiedenen Rechtsgebieten müssen Anwälte sogar Prüfungen ablegen, dürfen sich erst dann Fachanwalt nennen (z. B. im Familienrecht).
Woran erkenne ich einen guten Anwalt?
Daran, dass er Ihnen einen kurzfristigen Termin (drei Tage) gibt, Ihnen zuhört, Ihnen ohne juristische Schnörkel erklärt, wie er Ihren Fall und Ihre Chancen beurteilt. Ein gutes Zeichen ist auch, wenn der Anwalt von sich aus über die ungefähren Kosten informiert und auch nach dem Einkommen fragt, um zu sehen, ob Beratungs- und Prozesskostenhilfe möglich sind. Scheuen Sie sich nicht, nach seiner Qualifikation (Fachanwalt, Spezialgebiet) zu fragen. Wenn Sie kein gutes Gefühl haben, der Anwalt desinteressiert oder arrogant wirkt, investieren Sie lieber die Erstberatungsgebühr (maximal 180 Euro) und suchen Sie weiter. Vertrauen ist, so simpel das klingt, das A und O für den juristischen Erfolg.
Was muss der Anwalt für mich leisten?
Auf jeden Fall muss er Ihre Interessen professionell durchsetzen, indem er die Rechtslage erkennt und sie Ihnen erläutert (Beratung), Ihre Argumente juristisch formuliert und der Gegenseite mitteilt (Geschäftstätigkeit). „Eine der Hauptaufgaben des Anwalts ist es“, so Swen Walentowski vom Deutschen Anwaltverein, „einen Prozess zu vermeiden. Zum Anwalt zu gehen bedeutet ja nicht, automatisch einen Prozess am Hals zu haben. Oft wirken schon eine Beratung oder ein Kanzlei-Briefkopfbogen bei der Gegenpartei Wunder.“
Was kommt an Kosten auf mich zu?
Der Spruch: „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“ heißt keinesfalls, dass der Anwalt (als der Dritte) Ihnen utopische Summen in Rechnung stellen darf. Für Anwälte ist die BundesRechtsAnwaltsgebührenOrdnung (BRAGO) verbindlich. Sie geht vom Streitwert aus. Für den Aufwand gibt es den Gebühren-Spielraum 1/10 bis 13/10. Je höher der Streitwert und der Arbeitsaufwand, desto höher die Gebühren. In der Regel wird eine volle Gebühr (10/10) verlangt. Das sind beispielsweise bei 2.500 Euro Streitwert ca. 145 Euro. Dazu kommen noch Auslagen wie Porto, Schreibgebühr, Telefon und Mehrwertsteuer. Ist der Fall mit einem Schreiben abgetan, also der Aufwand sehr gering, kann auch mit einer halben Gebühr (5/10) abgerechnet werden. Berät der Anwalt nicht nur, sondern fertigt er Schriftsätze an oder geht der Fall vors Gericht, dann ist man schnell bei drei Gebühren - Beratungs-, Geschäfts- und Prozessgebühr. Fragen Sie nach einem Pauschalhonorar! So sparen Sie bis zu 40 Prozent.
Und wenn ich mir keinen Anwalt leisten kann?
Egal, ob Sie arm oder reich sind - Sie haben das Recht, für Ihr Recht zu streiten. Dafür gibt es vom Staat die »Beratungshilfe«, die es Ihnen finanziell ermöglicht, einen Rat vom Anwalt Ihrer Wahl einzuholen. Für die Durchsetzung Ihrer Interessen vor Gericht entfallen die Kosten entweder ganz oder können ratenweise gezahlt werden.
Wann soll ich den Gang zum Gericht wagen?
Wenn keine gütliche Einigung möglich ist, die Rechtslage sich relativ eindeutig beurteilen lässt, Sie gute Chancen haben, den Prozess zu gewinnen oder wenn die Gefahr besteht, dass Ihre Forderungen verjähren. Ein Anwalt ist dabei unverzichtbarer Berater. Ein Prozess ist nicht nur nervenaufreibend, sondern auch teuer. Die Gerichtsgebühren sind zwar niedriger als die des Anwalts, können aber explodieren, wenn noch Zeugen vernommen oder Gutachten erstellt werden müssen (Beweisgebühr). Mit welchen Gesamtkosten Sie bei einem Prozess in der ersten Instanz rechnen müssen, sehen Sie in der
Beispielrechnung:

Wenn Sie den Zivilprozess gewinnen, muss zwar der Gegner alle Kosten tragen, andernfalls aber auch Sie. Deshalb: Versuchen Sie, sich außergerichtlich zu einigen.
Und wenn ich mit dem Anwalt unzufrieden bin?
Falschberatung und Fristversäumnis berechtigen Sie, Ihr Mandat zu kündigen und eventuell sogar Schadenersatz zu fordern. Unerklärliche Honorarrechnungen machen den größten Teil der Beschwerden aus. Anlaufstelle für alle Beschwerden sind die Anwaltskammern am Oberlandesgericht.

Derzeit praktizieren über 116 300 Anwälte in Deutschland. Bei den folgenden Hotlines und Internet-Adressen können Sie »Ihren« Fachanwalt finden.
Deutsche Anwaltauskunft, Tel. 0180/5 18 18 05 oder www.anwaltauskunft.de
Anwalt-Suchservice, Tel. 0180/5 25 45 55 oder www.anwaltsuchservice.de
Bund deutscher Fachanwälte, Tel. 0180/5 00 36 17 oder www.fachanwalt-hotline.de
Deutscher Anwaltssuchdienst, Tel. 0800/3 45 60 00 oder www.rechtsfinder.de

Sofort-Beratung durch Anwälte (1,86 Euro/Min):
InfoGenie Recht, Tel. 0190/87 32 40
Anwalts-Notruf, Tel. 0190/87 00 87

Ohne Geld in den Knast
Kann ein Straffälliger seine Geldstrafe nicht bezahlen, muss er ersatzweise ins Gefängnis. Er kann nicht verlangen, dass die Strafe auf Bewärung ausgesetzt wird, weil es dafür keine gesetzliche Regelung gibt.
OLG Koblenz, Az. 1 Ws 209/02, 1Ws 219/02